Rund um die Uhr ansprechbar zu sein, auch wenn niemand mehr im Büro ist – das ist die Idee hinter den sogenannten Chatbots. Sie antworten jederzeit unermüdlich auf Fragen, die ihnen Nutzer online in einem Messenger stellen. Idealerweise helfen sie so zum Beispiel auch bei der Vorqualifizierung im Bewerbungsprozess. Aber wie hilfreich sind sie wirklich – und wie wirken sie auf Bewerber?
Etwa zehn Prozent der deutschen Unternehmen gehen bereits den Weg des digitalen Erstkontakts mit Chatbots. Besonders gefragt sind sie vor allem im Bereich Customer Service, aber auch im Recruiting werden die programmierten Assistenten immer häufiger eingesetzt.
Erstaunlich, bieten doch viele von ihnen eine Nutzererfahrung, die mit Textadventures auf Heimcomputern aus den 80er Jahren vergleichbar ist: Die Bots scannen die Texteingaben mithilfe einer gespeicherten Datenbank aus Begriffen und Satzbestandteilen, gleichen Schlüsselworte ab und liefern daraufhin eine festgelegte Antwort.
Was bei allgemeinen Fragen, zum Beispiel nach Arbeitszeiten, gut funktioniert, stößt schnell an seine Grenzen, wenn die Fragen keines der vorgegebenen Worte enthalten. Wenn nicht nur komplexe Wortketten ins Leere laufen, sondern selbst ein banaler Satz nur deshalb kein Resultat liefert, weil der Nutzer die richtigen Vokabeln nicht nennt, ist es gefühlt plötzlich wieder 1985. Und das trotz des Natural Language Processings, bei dem die Software die natürliche Sprache erfasst, verarbeitet und kontinuierlich dazulernt.
Der moderne Desktop-PC könnte dann ebensogut ein C64 sein. Von künstlicher Intelligenz sind die Chatbots ebenso weit entfernt wie ein Millennial von der Diskette.
Inwiefern kann sich ein Bewerber ernst genommen fühlen, wenn sein Erstkontakt mit seinem potenziellen Arbeitgeber aus einer programmierten Abfrageroutine besteht – ganz gleich, wie modern verpackt diese daherkommt?
Wer im Netz nach Recruitung-Chatbots sucht, findet auf den Ergebnisseiten der Suchmaschinen schnell die lustigsten Unterhaltungen mit den oftmals unverständigen elekronischen Helfern. Ihre permanente Erreichbarkeit und schnelle Reaktion wird dadurch konterkariert. Einige Firmen leiten Anfragen, die nicht durch die Bots bearbeitet werden können, sogar an ein Servicecenter weiter, in dem dann wiederum ein Mensch weiterhilft.
Das wirft die Frage auf, wer eigentlich wessen Arbeit erleichtern soll? Die automatisierten Helfer nehmen nur scheinbar Arbeit ab. Und inwieweit sie in der Lage sind, nicht nur Fragen zu beantworten, sondern auch eine hilfreiche Vorauswahl unter den Bewerbern zu treffen, ist umstritten. Soft-Skills, die weiterhin immer wichtiger in der Arbeitswelt werden, erfassen sie nicht.
Chatbots sind ein Trend, der im Zusammenhang mit der Digitalisierungswelle zunächst einmal gut klingt. Aber sie eignen sich bisher kaum für den Einsatz im Personalbereich.
Denn wenn sie nur simple Fragen beantworten können, bieten sie keinen Mehrwert gegenüber den allgemeinen Informationen einer gut aufgebauten Website. Die ist zwar weniger trendy, dafür aber hilfreicher, wenn sie zum Beispiel Informationen zu Werten und Kultur des Unternehmens sowie zur konkreten Aufgabenbeschreibung und den gebotenen Benefits bietet. Ganz ohne Spielereien.
Vor allem aber sollte auch künftig der persönliche Kontakt im Fokus bei der Personalgewinnung stehen. Jede persönliche Interaktion mit den Bewerbern hilft dem Recruiter dabei, den richtigen Kandidaten für das Team zu finden, in dem er oder sie arbeiten soll.
Dabei geht es auch um Soft-Skills und Persönlichkeit. Wie reagiert ein Mensch auf Fragen, ist er begeistert oder verunsichert – Eindrücke, die ein Chatbot nicht aufnehmen kann. Hier geht Menschenkenntnis auch in Zukunft vor Algorithmus.