Einmal im Jahr zum Zahnarzt, mit dem Auto zur Inspektion in die Werkstatt – und zum Mitarbeitergespräch beim Chef. Diese drei Dinge verbindet eines: Viele nehmen sie als notwendige Übel wahr. Dabei steckt viel mehr Potenzial im regelmäßigen persönlichen Austausch auf Augenhöhe, als das klassische Jahresgespräch bieten kann. Hier ein Plädoyer für mehr Wertschätzung und Feedback im Team sowie die Anregung, auch mal neue Wege in der Mitarbeiterkommunikation zu gehen.
Eine feste Struktur für einen regelmäßigen Austausch zu etablieren ist eine gute Sache. Genau das leistet ein Mitarbeitergespräch, das ein- bis zweimal im Jahr stattfindet. Aber wird es auch den sich wandelnden Arbeitsbedingungen gerecht?
In Zeiten von Agilität, Collaboration und flachen Hierarchien erscheint das klassische Mitarbeitergespräch eher wie ein Relikt aus einer vergangenen Ära. Dabei ist die Idee dahinter richtig und wichtig: Es geht um die eigene Motivation, um das Entdecken von Potenzialen und Talenten sowie um eine Perspektive für die Zukunft im Unternehmen.
Fraglich ist aber, ob sich diese vielschichtigen und komplexen Themen in ein bis zwei Terminen pro Jahr auch nachhaltig besprechen lassen.
Zielführender wäre ein regelmäßigerer Austausch unter denjenigen, die täglich zusammenarbeiten – genau diesen Gedanken verfolgt das sogenannte Peer-Feedback: Gespräche in kleinen Gruppen unter Kollegen, die die eigene Arbeit sinnvoll einschätzen können.
Der Ablauf ist einfach: Ein Mitarbeiter organisiert seinen Peer-Termin selbst und wählt die Teilnehmer dazu aus. Vordefinierte Leitfragen führen durch die Diskussion: Wie habe ich mich entwickelt? Was kann ich besonders gut? In welchen Bereichen kann ich mich noch verbessern?
Der Internet-Telefonie-Anbieter Sipgate aus Düsseldorf setzt das bereits erfolgreich um: „Wir nennen das ‚Feedback für Alle.‘ In diesem Rahmen bekommt jeder Rückmeldung zu seiner Arbeit, auch die Chefs. Manche wünschen sich, dass ihr Gespräch moderiert wird, protokolliert wird aber grundsätzlich nicht. Das Dialogangebot ist für den Einzelnen gedacht und ganz bewusst kein Verwaltungsakt“, berichtet Johanna Lange-Hegermann aus der Kommunikationsabteilung von Sipgate. In den Gesprächen sammelt das Team Rückmeldungen in drei Kategorien: Die „Keeps“ behandeln das, was der Kollege gut macht. „Ideas“ thematisieren das Entwicklungspotenzial und „Highlights“ heben besondere Leistungen hervor. Wenn die Feedbackkultur im Team auf diese Weise in den Arbeitsalltag eingebaut wird, wird sie nach kurzer Zeit zur Selbstverständlichkeit.
Diese Erfahrung teilt die Kreativagentur Elbdudler aus Hamburg. Seit zweieinhalb Jahren ist dort ein Gruppenaustausch unter dem Namen „Reflecting Team“ institutionalisiert. „Wichtig für uns ist, dass diese Gespräche freiwillig stattfinden. Wer ein Feedback haben möchte, fragt es an. Wir wollen keine Termine erzwingen“, berichtet Zerrin Illaev, Talent Manager bei Elbdudler. Und wer sich nicht beteiligen möchte, kann jederzeit Einzelgespräche vereinbaren. Nach ihrer Erfahrung kostet es anfangs ein wenig Überwindung, sich den geballten Rückmeldungen aus dem Team zu stellen. Aber: „Wer den Sprung wagt, merkt schnell, dass er konstruktive Ratschläge und wertschätzende Rückmeldungen erhält.“
Damit das gelingt, sollten sich die Teilnehmer etwa eine Woche zuvor vorbereiten – zum Beispiel, indem sie Leitfragen entwickeln, um Stärken und Entwicklungspotenziale ihrer Kollegen einzuschätzen. Oder um zu prüfen, wie sie mit den Rückmeldungen aus der letzten Sitzung umgegangen sind.
Peer-Feedback muss den Dialog zwischen Führungskräften und Mitarbeitern nicht grundsätzlich infrage stellen, sondern kann im ersten Schritt eine sinnvolle Ergänzung dazu sein. Die Vorteile: Beschäftigte entscheiden selbst über den Zeitpunkt und Kontext der Gespräche. Sie können ehrliches Feedback ihrer Kollegen erwarten und zum besseren Verständnis direkt nachfragen. Und sie verlassen sich darauf, dass die Gespräche in einem vertrauensvollen Rahmen auf Augenhöhe stattfinden.
Unternehmen profitieren von dieser Energie der Mitarbeiter, die sich selbst steuern und im Team weiterentwickeln wollen. Einen Versuch ist es allemal wert, um zu prüfen, ob diese Form des regelmäßigen Austauschs zur eigenen Organisation passt.