Dr. Thorsten Dietrich, Leiter Personal und Recht bei Tempo-Team Deutschland, erklärt im Interview die Herausforderungen der Höchstüberlassungsdauer für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Personaldienstleister.
Wird die neue Regelung aus Ihrer Sicht den Anforderungen des modernen Arbeitsmarkts gerecht?
Für Unternehmen bedeutet die Einführung der Höchstüberlassungsdauer eine starre Vorgabe, während sie eigentlich auf dem Arbeitsmarkt flexibler und agiler werden müssten – das passt nicht zusammen. Darüber hinaus stellt die Reform einen massiven Eingriff in die eigentlich geltenden Branchentarifverträge dar. Das hat gleichermaßen negative Auswirkungen auf Zeitarbeitnehmer, Kundenunternehmen und Personaldienstleister. Denn die Einsätze werden per Gesetz zwangsläufig kürzer. Für die Zeitarbeitnehmer bedeutet die Gesetzesnovelle außerdem eine gravierende Verschlechterung.
Denn mit dem Wechsel zum nächsten Arbeitgeber nach 18 Monaten verlieren sie auch ihre Ansprüche auf Branchenzuschläge und beginnen quasi wieder bei null.
Warum übernehmen viele Unternehmen ihre Zeitarbeitnehmer nicht nach der Höchstüberlassungsdauer?
Die Weltwirtschaftskrise von 2008 hat bei vielen Unternehmen einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Darum setzen sie auf Zeitarbeit – zum Beispiel zur Abfederung von Auftragsspitzen und um sich eine gewisse Flexibilität für Krisensituationen zu bewahren. So kann beispielsweise ein produzierendes Unternehmen nicht alle eingesetzten Zeitarbeitnehmer, die in Projekten eingesetzt sind, nach 18 Monaten in eine Festanstellung übernehmen. Denn ohne die nötigen Folgeaufträge droht ihm sonst schnell das Aus.
Besonders bitter ist außerdem, dass zahlreiche Projekte länger bis zur Fertigstellung brauchen als eineinhalb Jahre. Das spielt jedoch nun keine Rolle mehr, weil es Ausnahmen von dieser Regelung nur durch Branchentarifverträge geben kann – und die gibt es bislang nur in der Metall- und Elektrobranche.
Welche Konsequenzen müssen Unternehmen und Personaldienstleister bei einem Verstoß gegen die Höchstüberlassungsdauer erwarten?
Für Unternehmen bedeutet ein Verstoß, dass die betreffenden Zeitarbeitnehmer automatisch ein festes Arbeitsverhältnis mit ihm als Entleiher eingehen – mit allen daraus erwachsenden finanziellen und rechtlichen Ansprüchen. Personaldienstleister müssen mit empfindlichen Bußgeldern rechnen und bei wiederholten Verstößen sogar um ihre Verleih-Lizenz fürchten.
Das kommt einem Berufsverbot für das gesamte Unternehmen gleich, denn egal, ob zehn oder eintausend Mitarbeiter überlassen werden: Jeder Personaldienstleister hat in der Regel nur eine Lizenz. Umso wichtiger ist eine sehr genaue Prüfung der Vorüberlassungszeiten bei jedem einzelnen Zeitarbeitnehmer.
Wie können Personaldienstleister das gewährleisten?
Wir sind dabei auf verlässliche IT-Systeme angewiesen, die zum Beispiel eine elektronische Zeiterfassung beinhalten und uns auch bei der Berechnung der jeweils anwendbaren 13 Branchenzuschlagstarife unterstützen.
Darüber hinaus beziehen wir natürlich unsere Mitarbeiter immer ein und gehen eventuellen Unsicherheiten im Vorfeld genau nach. Das alles gelingt nur mit einem enormen administrativen Zusatzaufwand, obwohl wir als Branche bereits äußerst stark reglementiert werden.
Wie schätzen Sie die mittelfristigen Auswirkungen der Gesetzesnovelle ein?
Perspektivisch wird die Beschäftigungsdauer in der Zeitarbeit insgesamt sinken, obwohl sie in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen ist. Damit erreicht das Gesetz genau das Gegenteil dessen, was wohl angedacht war. Denn Zeitarbeitnehmer können nicht darauf hoffen, nach 18 Monaten übernommen zu werden.
Unternehmen werden in ihrer Flexibilität stark beschnitten. Und Personaldienstleister sehen sich einem administrativen und regulativen Aufwand gegenüber, der in dieser Form in Europa einmalig ist. Vielleicht bringen weitere Tarifverträge, wie sie zum Beispiel derzeit in der Chemiebranche verhandelt werden, in Zukunft eine Verbesserung der Situation.